Ein paar Worte von Ina

Liebe Sangha,

heute im Gespräch mit Regina (am 26.4) tauchten zwei Stichworte auf – Sehnsucht und Verantwortungsbewusstsein.

Je länger die sozialen und beruflichen Einschränkungen andauern, desto stärker wird die Sehnsucht nach etwas, das in den öffentlichen Diskussionen der letzten Woche häufig „Normalität“ genannt wurde. Es ist die Sehnsucht nach dem Vergangenen, dem bisher Gewohnten und Vertrauten. Klar wissen wir im Grunde, dass wir immer im Neuen sind, im ununterbrochenen Erleben des Ungewissen. Vom Wissen zur Akzeptanz des Gegebenen ist es aber ein langer Weg – mit vielen Ausweichversuchen und Widerständen. Die Sehnsucht nach Sicherheit, nach Erleichterung und vielleicht auch Erlösung kann uns immer wieder neu gefangen nehmen.

Wie in einem langen Rohatsu-Sesshin wirft uns diese Zeit auf uns selbst zurück – und das natürlich nicht oft auf erfreuliche Weise. All die Unbequemlichkeiten und Ängste, die ungestillten sozialen Bedürfnisse und die Begegnung mit dem eigenen Leiden können bedrückend sein. Die Sehnsucht kann zu einer Sucht nach Veränderung – nach etwas anderem, das bitte angenehm, erleichternd und stärkend sein möge – anwachsen. Die völlig verständliche menschliche Sehnsucht erzeugt schnell einen Kampf gegen das, was tatsächlich da ist.

Erwachen ist hier zunächst einmal das Wahrnehmen des Festhaltens an den Sehnsüchten. Erst dann kann es Loslösung geben.

Vielleicht kennst du dieses Bedürfnis, dass es nach all den Wochen der Folgsamkeit eine Belohnung geben müsse. Manchmal ist dies sogar mehr als ein Bedürfnis, nämlich der beharrliche Anspruch, dass das Leben mir (MIR!), die ich doch so gut mitmache, etwas schuldig ist. Neulich sagte ich zu einem Freund, was ich jetzt immer häufiger auch von anderen höre: dass ich so gerne ein paar Tage „Urlaub von Corona“ hätte.

Einfach mal ein paar Tage Auszeit und dann fügen wir uns alle wieder in Was-Auch-Immer-Dann-Ist ein? Schade, dass es so einfach nicht funktioniert.

Stattdessen sind wir selbst verantwortlich, mit unseren Erfahrungen umzugehen. Wie im Rohatsu-Sesshin gibt es dabei kein Drumherum-Kommen. Wofür genau sind wir verantwortlich? Nicht immer für das, was ist, sondern vor allem für den Umgang mit dem, was ist. Dieser Weg besteht aus Nachgeben und (angemessenem) Gestalten.

Nachgeben und angemessenes Gestalten? Nicht unbedingt das, was die Stimme des Jammerns hören möchte. Also üben wir uns in Geduld mit unseren Sehnsüchten. Bleibt vor allem gesund!